Montag, November 16, 2009

Das adventistische Weltdorf – Teil 1

Hier bekommt man eine etwas andere Sicht auf die Welt. Die Uhr, oder besser gesagt, der Kalender tickt in Friedensau anders. Obwohl das hier ein christliche Hochschule ist, gilt der christliche Festkalender nicht viel. Zumindest was die Öffnungszeiten der Bibliothek anbelangt. An fast allen christlichen Feiertagen (ja auch Weihnachten) kann man hier von 9 bis 22 Uhr Bücher lesen und ausleihen. Auf der anderen Seite bleibt selbiger Bücherhort jede Woche von Freitagmittag bis Sonntagfrüh geschlossen, so dass man am Samstag keine Chance hat, in der Bibliothek schlauer zu werden.
Das liegt daran, dass die Adventisten (mit vollständigem Namen: Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten) - also die Kirche, die diese Hochschule betreibt - eine Menge kirchliche Traditionen nicht für besonders wichtig hält. Mit einigen anderen Sachen, haben sie sogar offen gebrochen. So wird der in katholischer und evangelischer Kirche gebräuchliche Festkalender nur wenig beachtet. Zu Feiertagen wie Pfingsten, Himmelfahrt oder dem Buß- und Bettag, finden bei den Adventisten keine Gottesdienste statt. Der Sonntag wird sogar bei Adventisten überhaupt nicht als wöchentlicher Feiertag angesehen. Die Adventisten legen nämlich großen Wert darauf, dass sie den biblisch richtigen Feiertag halten und meinen damit, dass der Sonntag als wöchentliche Auferstehungsfeier von Jesus, so nicht in der Bibel vertreten wird. Statt dessen lehnen sich die Adventisten an den Juden an, die jeden Sabbat, sprich Samstag, als Ende der Woche feiern.
Und weil das Dorf um die adventistische Ausbildungsstätte herum entstanden ist, tickt das ganze Dorf adventistisch. Nicht nur die Bibliothek hat Samstags geschlossen. Auch Friedensaus Tante Emma Laden, der Ihle-Shop (Werbespruch: „Hier findest du alles was du brauchst. Was du hier nicht findest, brauchst du nicht!“), hat da geschlossen. Und in der Hausordnung des Studentenwohnheims wird man darum gebeten, am Samstag bitte keine Wäsche draußen auf der Wiese hängen zu lassen. Dafür haben dann aber auch wirklich alle gemeinsam einen freien Tag (ausgenommen, der Leute von der Mensaessensausgabe, der Mitarbeiter im Altenheim und der, am Wochenende so richtig durchstartenden, Gästehausmannschaft). Die meisten der Einwohner, Dozenten, Professoren, Sekretärinnen kann man dann in einem der zwei bis drei parallel stattfinden Gottesdienste und auch bei einem gelegentlich stattfindenden Potluck nach dem Gottesdienst treffen. Potluck ist wohl auch noch so eine adventistische Besonderheit. Das bedeutet, möglichst jeder bringt irgendwas zu essen mit. Hier in Friedensau bringen vor allem die Nichtstudenten etwas oder sagen wir lieber nicht nur etwas, sondern richtig viel mit. Und dann dürfen alle – auch die, die nichts mitgebracht haben – von allen Sachen probieren und sich den Magen vollschlagen.

Gestern hab ich „Blood Diamond“ angeschaut (Was das mit Friedensau zu tun hat und warum Friedensau eben nicht einfach irgendein, sondern wirklich ein Dorf von Welt ist, dazu bald mehr). In dem Film kommt die Abkürzung „TiA = This is Africa“ vor. Friedensau ist schon eine kleine (interessante) Welt für sich. In diesem Sinne.
TiF! This is Friedensau.

Dienstag, November 10, 2009

mmmmffffff aahhhh.

Hier gibt’s natürlich auch Landwirtschaft. Heute ist Herbst und ich fahre mit dem Fahrrad im Dunklen zur Mensa. „Nicht gerade appetitlich, wie die Luft riecht“, denk ich mir. „Hm. Ich hab wohl noch nie so nah an einem güllegedüngtem Feld gewohnt. Hab ich eigentlich mein Fenster zu gemacht? Oder riecht mein Zimmer nachher so, wie es hier draußen riecht? Ist das wirklich möglich, dass es noch 200 Meter neben dem Feld so entsetzlich nach Jauche stinkt? Wer sagt mir eigentlich, dass das Nasse auf meinem Gesicht Regen ist?
Aber hier wird ja wohl kaum der Bauer die Felder vom Flugzeug aus besprühen.
Vor allem jetzt wo's nicht mehr hell ist.
Oder?"

Hm, naja, hm. Eins bleibt sicher. "Es pisst"