Freitag, Juli 08, 2011

Der Präsident in Friedensau

Aufregung in Friedensau! Auf einer Wiese, wo sonst nur Grashalme stehen oder auch mal irgndwelche Vierbeiner weiden, regiert seit einer Woche weiß-rotes Absperrband. Der Präsident der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten kommt mit einem Teil seines Stabs vorbei. Der Hauptsitz der Kirche ist in den USA und zudem Reist der Präsident mit seinen Leuten sonst eine Menge in der Welt herum und da sehen viele Adventisten eine günstige Gelegenheit Ted Wilson und Anhang hier in Friedensau mal in echt anzuschauen.

Hochkarätiger Anhang
Der Anhang ist eigentlich zu hochkarätig besetzt, als dass man ihn hier nur am Rande erwähnen sollte. So ist neben Wilsons Frau noch Mark Finley, ein Evangelist, der eigentlich schon in Pension ist, aber als halbtags Job noch mit um die Welt reist und Mike Ryan, einer der 9 General Vice Presidents unserer Kirche dabei. Bei so viel hoher adventistischer Prominenz gehen schon ein bisschen Leute unter, die sonst auch schon mal auf Adventistischen Gottesdiensten als Stargastprediger auftreten können, nämlich der Vorsteher der Euro-Afrika Division (Sowas wie Abteilungsleiter der Weltkirche Für Halb-Europa + ein Teil von Afrika) und sein Stellvertreter, Bruno Vertallier und Gabriel Maurer.

Doch bevor es soweit ist, dass der Tross für die Allgemeinheit zu haben ist, gibt es erst einmal ein etwas intimeres Zusammensein mit der Hochschulfamilie und den Einwohnern in Friedensau.

Präsident im Altenheim
Am ersten Tag, Donnerstag, steht als erstes ein Besuch bei der Andacht im Altenheim an. Wilson ist nicht der Papst und mit ca. 16 Millionen getauften Kirchenmitgliedern, die er vertritt, zählt er nicht unbedingt zu den weltpolitischen schwergewichten, aber trotzdem ist etwas von der Aufregung zu spüren, die vor der Ankunft herrscht. Vor der ersten Station, dem Altenheim, wartet schon ein Empfangskomitee. Vom Beobachtungsposten in der Bibliothek lässt sich nur deutlich der Ortspastor erkennen, daneben haben aber auch noch drei oder vier weitere, rausgeputzte Personen Stellung bezogen, das wird bestimmt die Heimleitung sein (auch wenn die Empfangsdame von der Rezeption, die das sonst so macht, das bestimmt auch gerne gemacht hätte). Von der gegenüberliegenden Bibliothek haben die Studenten hervorragenden Blick auf das Geschehen. "Kann man nur hoffen, dass der sich nicht verspätet, dann hat er nämlich einen sehr schlechten Stand bei den Bewohnern." Da redet ein Student aus Erfahrung. Die Alten lieben Pünktlichkeit, wehe dem, der da mal zu spät zur Andacht eintrifft, Studenten wissen da ein Lied von zu singen. Aber vielleicht haben sie ja mit dem Präsidenten und seiner Crew ein Nachsehen. Mit 24 Minütiger Verspätung trifft er ein. Nun ja ..., wenn heute ein Student mit der Andacht dran gewesen wäre, hätte man ihn schon längst mal angerufen, wo er bleibt. Aber der Ted Wilson steht ja auch nicht mit seinem Handy auf der Ortsinternen Telefonliste (Das könnte ja bei Gelegenheit mal ergänzt werden). Seine Ankunft ist ganz unstaatsmännisch. Kommt einfach vom Parkplatz angelaufen. Nu ja. Eigentlich ist er ja auch nur ein Pastor, der eben nicht im "Feld" sondern in die Administration gewechselt hat. Wilson sagt später, dass es ihm wichtig ist, alten Leuten seine Wertschätzung auszudrücken und auch sie deshalb zu würdigen, weil sie vor uns wichtiges geleistet haben.

Meet and Greet with Mr. President
Die nächste Station ist ein Treffen mit den Studenten der Hochschule. Alle sind eingeladen und es wurde im Vorfeld die Möglichkeit eingeräumt Fragen an den Moderator (den hiesigen Rektor) zu senden, die dann an Wilson und sein Team gestellt werden.
Wie abzusehen, weil später im Altenheim angekommen, verzögert sich die Ankunft von Wilson in der Aula, wo schon einige Studenten warten. Erster Applaus brandet auf, aber es wird nur der Rektor beklatscht, auch hier ist man aufgeregt, das Klatschen ersetzt kurzzeitig das Geschnatter der Studenten. Dann ist es aber tatsächlich so weit, der Präsident erscheint im Saal, nach anfänglichem Ausbleiben von Applaus, gibt es dann doch Beifallsbekundungen und es kann losgehen.
Ein sichtlich gut gelaunter Rektor, bei ihm ist keine Aufregung zu spühren, heißt alle Willkommen, bedankt sich bei den Studenten, dass sie trotz Vorlesungszeit noch in Friedensau ausgeharrt haben, auf ihre Lieben zu Hause verzichten, Mensaessen sich zumuten - Gelächter - um Wilson und sein Team noch zu treffen. Der Rektor hat das Eis gebrochen, es geht recht gelöst weiter.
Es folgt eine Ansprache des Präsidenten, der auf die Wichtigkeit von "Rightiousness by faith" hinweist und zudem sagt: "God wants the reformation to continue." und "Christ is coming soon."
Alles Dinge, die man von ihm auch schon früher gehört haben könnte, wenn man sich informiert hat. Aber ihn persönlich zu erleben, das ist dann doch etwas anderes. Da zählen dann solche Diinge, dass er wohl irgendwas über 1,80m groß ist, tatsächlich Lächeln kann und mitunter sogar witzig ist. Wer hätte das gedacht, der Mann wirkt sympatisch.
Nach Wilsons kurzer Ansprache folgt eine Andacht von Mark Finley. Souverän, unterhaltsam. Die drei Kernpunkte sind "faith - reason - doubt". Finley macht klar, dass nicht der Zweifel und der Verstand über den Glauben regieren sollen.

Fragen an das Präsidententeam
Gegen 21 Uhr werden vier Stühle auf dem Podium aufgebaut und der Rektor setzt sich mit Wilson, Finley und Ryan zum Gespräch. Finley lässt spaßenshalber darüber abstimmen, ob die Redner ihre Jackets ausziehen dürfen - es ist wirklich warm in der Aula - und nun sitzen die drei Amerikaner da und beantworten Fragen.
Alles in allem interessant, allerdings werden nicht alle Fragen gestellt, die eingereicht wurden, dafür besteht, am Ende noch die Möglichkeit aus dem Publikum Fragen an Ted Wilson und seine Mitstreiter zu richten.
Dann, wie der Rektor vorher angekündigt hatte, beendet er gegen 22 Uhr das Interview, indem er darauf hinweist, dass die Leute auch mal bei dem ganzen Rumreisen ihre Ruhe bräuchten, auch wenn eigentlich noch viele Fragen gestellt werden könnten, dies und das oder auch womit sie ihre Frauen überaschen könnten. Da lässt sich Mike Ryan als altgedienter Missionar dazu hinreißen, halb im Spaß und halb im Ernst zu sagen: "Coming home" und alle lachen.


Was noch kommt
Am Freitag gibt es noch ein Treffen mit den Hochschulmitarbeitern und am Abend eine Andacht für die Friedensauer. Am Samstag dürfen dann alle, die wollen, beim großen Gottesdienst mit ihm dabei sein. Da werden sich dann die provisorisch abgesteckten Parkflächen füllen und Friedensau mit Leuten überflutet werden. Bisher haben sich wohl schon mehr angemeldet, als überhaupt in den größten Friedensauer Veranstaltungsort (unser Großzelt)passen. Kirchentagsbesucher und eingefleischte Papstmessenteilnehmer wird das jedoch nur ein müdes Lächeln hervorzaubern. Was sind schon 1400 gegen ein volles Olympiastadion?


PS.:
Noch etwas inhaltliches: Wilsons Botschaft lässt sich für Theologen gut verständlich an seinen Aufenthaltsorgen auf dieser Deutschlandreise festmachen. Er war in Wittenberg, hat sich dort Luthers Haus angeschaut, er war auf der Wartburg, und auch dort sich auf den Spuren Luthers hinbegeben, und er war sogar in Augsburg, dort wäre Luther gerne gewesen, ist er nicht hingelangt. Geradezu programmatisch für jemanden, der die Reformation weiterbringen möchte.